Das Altstädtische Rathaus im Zentrum der Altstadt ist nicht nur ein bemerkenswertes historisches Gebäude, sondern ein Ort städtischen Lebens und Entscheidens. In ihm wird zugleich Vergangenheit lebendig und durch die im Rolandsaal tagende Stadtverordnetenversammlung Zukunft gestaltet. Der Rathauskomplex, in dem sich auch der Sitz des Oberbürgermeisters befindet, beeindruckt durch vielfältige architektonische Details und zahlreiche Spuren der Stadtgeschichte.
Der Altstädtische Markt entstand im Zuge einer systematischen Stadtplanung um 1200. Auf ihm wurde um 1270/90 der erste Rathausbau freistehend errichtet. Er bestand aus einer Halle in Holzbauweise über einem gemauerten Keller und erhielt 1450 einen als Ratsstube genutzten Anbau. Das „Ordonnanzhaus“, ein mittelalterliches Bürgerhaus, lag dagegen auf einem besonders großen Eckgrundstück am Markt. Zwischen beiden Gebäuden verlief bis 1912 eine Gasse.
Um 1468 wurde das jetzige Rathaus an der Stelle des älteren Kellers errichtet. Im Erdgeschoss lag eine dreischiffige Kaufhalle, darüber der Ratssaal. Der zum Markt gerichtete Turm symbolisierte mit Gefängnis, Gerichtslaube, Archiv, Waffenkammer, Uhr und Glocke die Ratsherrschaft.
Nach der Vereinigung von Alt- und Neustadt Brandenburg im Jahr 1715 stand das Gebäude zunächst leer, um in der Folgezeit weitreichend umgebaut und umgenutzt zu werden.
Die mittelalterlichen Strukturen des Altstädtischen Rathauses wurden erst ab 1902 wiederentdeckt. Der nachfolgende Umbau zum städtischen Festhaus 1911-1912 bedeutete eine bewusste Gestaltung des Bauwerks als ein Monument städtischer Geschichte.
Bei den damaligen Restaurierungsarbeiten wurde ein kleiner Gewölberaum im Turm wiederentdeckt, der vom Ratssaal, dem heutigen Rolandsaal zugänglich ist. In seinen Seitenwänden befinden sich Nischen mit Geheimfächern. Dort eingemauerte Wertsachen waren vor Diebstahl und Feuer geschützt, vermutlich handelte es sich um das Archiv des Rates. Auf der Eingangsseite finden sich Ritzzeichnungen unterschiedlichen Alters, zum Beispiel die Jahreszahl „1559“, Hammer, Hobel und Stechzirkel sowie Kreisornamente. Die Inschriften sind wie Graffitis zu betrachten, sie gehören nicht zur ursprünglichen Raumausstattung, überlagern sich und sind zu unterschiedlichen Zeiten und vermutlich aus ganz verschiedenen Motiven entstanden. Darstellungen von Personen zeigen vermutlich eine Frau und einen Mann in der Tracht des 16. Jahrhunderts. Schriftzüge sind nur fragmentarisch erhalten und bisher nicht gedeutet.
Das 1468 gezimmerte Dachwerk des Rathauses ist eines der eindrucksvollsten mittelalterlichen Holzbauwerke im Lande. Wie in vielen Rathäusern könnte der erste Dachboden als Zeughaus gedient haben. Auf seiner Höhe liegt eine weitere Turmkammer. Der tonnengewölbte Raum weist zwei Wandschränke und einen Lichtschlitz auf. Hier könnte das Pulver für die Feuerwaffen verwahrt worden sein. Wohl zum Aufziehen der 1590 gegossenen Glocke wurde das Gewölbe der Turmkammer durchbrochen. Die 1942 entfernte Glocke wurde 2007 zurückgeführt.
1911-12 wurden das Altstädtische Rathaus und das benachbarte „Ordonnanzhaus“ durch einen Zwischenbau verbunden, welcher eine gemeinsame Haupttreppe aufnahm.
Die im Zwischenbau gelegenen ehemaligen Außenmauern beider Häuser konnten bei der Sanierung des Rathauskomplexes 2006/2007 freigelegt werden.
In einem geschossübergreifenden „Befundfenster“ an der Rathauswand sind Bauspuren eines mittelalterlichen Anbaus, einer „Ratslaube“ erkennbar. Sie war im Erdgeschoss gewölbt, im Obergeschoss durch einen Kamin beheizbar, als Aufgang diente vermutlich eine Wendeltreppe. Über diesen Anbau war der Ratssaal im Obergeschoss des Altstädtischen Rathauses zugänglich.
Das gegenübergelegene „Ordonnanzhaus“, ein um 1300/10 errichteter Backsteinbau diente als Wohn- und Speicherhaus. Verschiedene Spitzbogenöffnungen, Fenster und Luken belegen eine differenzierte Raumnutzung. Um 1470/80 wurde das Patrizierhaus erhöht und luxuriös ausgebaut: mit hoher Diele in beiden Geschossen, Kreuzrippengewölben über Stube, Kammer, Kapelle und reich ausgemalter Trinklaube mit figürlichen Darstellungen und Trinksprüchen. Das großartige Dachwerk und beide Giebel von 1483 sind komplett erhalten. Zur Zeit Friedrich Wilhelms I. als Herberge der Militärboten, als „Ordonnanz“ genutzt, diente das Haus nach 1753 verschiedenen Nutzungen.
Zurück zum Rathaus, in seinem untersten Geschoss lag ein kleiner Gefängnisraum, vermutlich ein Arrestlokal für Straftäter, die dem Richter vorgeführt werden sollten. In den dortigen Sitznischen sind noch die Spuren von Halseisen erkennbar.
Der Eingang vom Markt führte durch den Ratsturm, der als überwölbte Vorlaube gestaltet war und an die offenen Gerichtslauben anderer Rathäuser in Niederdeutschland erinnert. Gericht musste nach altsächsischem Rechtsform im Freien gehalten werden, nur den Richtern wurde ein Wetterschutz zugestanden. Die heutige Außentür im Ratssturm stammt aus der Umbauphase von 1912.
Die ehemals im Erdgeschoss befindliche dreischiffige Kaufhalle des mittelalterlichen Rathauses war auch von der Schusterstraße über ein Doppelportal zugänglich. Seit 1912 beherbergt das Erdgeschoss ein zur Schusterstraße orientiertes repräsentativ gestaltetes Foyer sowie anspruchsvolle Gesellschafts- und Gasträume.
Im Mittelalter wurde im Ratssaal vermutlich dem Landesherrn gehuldigt, hier wurden Vertreter der Bürgerschaft empfangen, aber auch Feste der patrizischen Familien gefeiert.
Die Neuschöpfung des großen Festsaals gehörte zu den wichtigsten Aufgaben der Wiederherstellungsarbeiten Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis 1912 flach gedeckt, wurde der Saal durch ein hölzernes Tonnengewölbe in den Dachraum hinein erhöht. Die Tonne trägt eine Kassettendecke, nach dem Vorbild römischer Triumphbögen. Sie wurde auf der Giebelwand zur Schusterstraße in illusionistischer Malweise fortgesetzt, oberhalb der Bühne waren antikisierende Rüstungen dargestellt. Die durch Pilaster gegliederten Seitenwände schmückten bildreiche Wandmalereien mit Landschafts- und Architekturdarstellungen; sie wurden nach 1918 entfernt. Die erhaltenen Bleiglasfenster zeigen Wappen der märkischen Städte des Mittelalters. Seit 1962 durch eine Unterdecke verkleidet, wurde das Tonnengewölbe 2006 wieder freigelegt und seine Bemalung restauriert. Der Parkettboden konnte nach einer Restfläche rekonstruiert werden. Die Neugestaltung der Wandflächen knüpft in Gliederung und Farbgebung an den Entwurf von 1912 an.
Quelle: © René Paul-Peters & Thomas Messerschmidt